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Die Vier Apokalyptischen Reiter
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Die Aufeinanderfolge, in der die sieben Siegel vom Buch des Lebens gelöst werden, bestimmt den eindrucksvollen Charakter der Darstellung. Die Öffnung der ersten vier Siegel erfolgt nacheinander durch den Ruf der einzelnen Engel - sie rufen die Reiter auf, nicht den Seher. Hesekiel spricht in seiner Vision von den vier kosmischen Engeln, die gestaltet sind wie der Mensch.

Die Öffnung der ersten vier Siegel ist in Form und Inhalt ein geschlossenes Ganzes, wird durch gleichlautende Redewendungen eingeleitet und inhaltlich durch das gleiche Bild von Reiter und Pferd miteinander verknüpft. Dürer verbindet diese Bilder zu einem Bewegungsmotiv von suggestiver Kraft und grandioser Wirkung. Diese geniale Komposition findet in der deutschen Kunst kaum etwas Vergleichbares. Unwillkürlich wird man bei dem Bild an die geheimnisvolle Sage von Wodans wilder Jagd erinnert, auch hier reitet der germanische Gott mit seinem Gefolge auf einem weißen Pferd durch die Nacht Aus den vier Reitern, denen Macht gegeben ist, den vierten Teil der Menschheit durch Hunger und mit dem Schwert zu töten, hat Dürer das berühmte Bild der Läuterung gemacht, die mit Windesflügeln über die Erde hinwegfegt. Er nimmt die vier Figuren, die der Text einzeln auftreten läßt - und die in früheren Bildern nie als einheitliche Gruppe dargestellt wurden - eng zusammen, hebt sie in die Luft und gewinnt dadurch einen phantastischen Bewegungsrhythmus. Es ist erstaunlich, wie harmonisch er die Wolkengebilde über der Satteldecke des die Waage schwingenden Reiters mit dem gesamten Motiv koordiniert. Alle vier Reiter sehen ins Weite, keiner auf ein unmittelbares Ziel, sie bilden eine Kette von rechts oben nach links unten, die alles, was am Boden liegt, völlig erdrückt. Ihre nach vorne gerichteten Gebärden gewinnen dadurch einen zeitlosen Charakter, da der unmittelbare "Gegner" fehlt. Dürer läßt diese Arbeit nicht von dem letzten Reiter allein verrichten, die Menschen sinken auch vor den anderen Reitern zu Boden, ohne von ihnen angegriffen worden zu sein. Ihm liegt nicht an der genauen Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung, er läßt die Erscheinungen herangaloppieren wie es in der Vision geschieht, die Kategorie der Kausalität ist aufgehoben.


Ihm liegt nicht an der genauen Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung, er läßt die Erscheinungen herangaloppieren wie es in der Vision geschieht, die Kategorie der Kausalität ist aufgehoben. Mit seinem ausgeprägten Künstlersinn hat Dürer den großen dramatischen Akzent gefunden, der dem Bild das Ahnen eines ungeheuren Geschehens und seinen bedeutsamen Hintergrund gibt. Mit diesen eindrucksvollen Bildern befriedigt er eine Hauptforderung der Zeit, das Bedürfnis nach seelischer Erhebung und die Sehnsucht nach geistiger Erneuerung des Christentums. Was für unsere Augen ein Bilderrätsel ist, war für Menschen zur Zeit Dürers ein durchaus verständliches Sinnbild.

Am rechten Flügel der vier Reiter geloppiert der zur Mumie eingetrocknete Tod, mit weit geöffneten Augen ruft er den Menschen zu: "memento mori" (gedenke des Todes!) - diese Notiz war auf einer Kohlezeichnung Dürers. Der Tod bedarf weder der Bügel noch der Zügel, er findet allein den Weg und auch seine Opfer. Der Höllenrachen, der dem Tod nachfolgt, ist mit ihm aufs engste verbunden.

Auch diese Komposition ist etwas Neues. In den weitaufgesperrten Rachen läßt Dürer als erstes Opfer einen Bischof hineinstürzen.

Für die religionsgeschichtliche Exegese bilden die Vier Apokalyptischen Reiter eine große Schwierigkeit. Darüber gibt es keine einheitliche Meinung. Einige Theologen vertreten die Ansicht, daß die Worte, die Johannes hört, nichts anderes sind als die dramatische Vision einer Hungersnot, die im Gefolge der Reiter die Menschen geißeln soll.

Andere wieder sprechen davon, daß die bildliche Idee der Pferdevisionen aus dem Buch des Propheten Zacharias entnommen sei, nicht aber die Reiter und ihre Attribute, diese würden auf die astrologischen Kalender der hellenistischen Zeit zurückgehen. Die meisten Forscher vertreten die Auffassung,daß die Apokalyptischen Reiter Tierkreiszeichen darstellen. Auf die Frage, warum aus den zwölf Plagejahren in der Apokalypse nur vier Zeichen genommen wurden, finden wir in der christlichen Literatur nirgends eine befriedigende Antwort.

So selbständig und eigengesetzlich auch die Einheit und Mannigfaltigkeit der Apokalypse ist, ihre sachliche Bedeutung liegt in der religiösen Gesamtschau, die gleichsam überall im Hintergrund steht und sie bis in jede Einzelheit durchwirkt und bestimmt. Das Gesetz der Aufeinanderfolge tritt in der ganzen Natur in Erscheinung. Die Offenbarungsliteratur hat die Aufgabe, den Weltlauf und das Weitende sinnbildlich darzustellen. Durch das Deuten von Symbolen kommt eine Verbindung mit der Seele zustande, denn Körper und Seele verhalten sich im Leben wie die beiden Schalen einer Waage, je mehr die eine sinkt, desto mehr steigt die andere. Da es keinen Zufall gibt, geschieht die Wahl nach dem freien Willen.

Erfahrung und Vernunft haben einen reflektierenden Charakter, Wahrnehmung und Anschauung haben einen intuitiven. Jenseits der astralen Welt befinden sich die Sphären der Erkenntnis und auch die Pläne der Evolution. An der sinnlichen Erkenntnis ersieht man, daß keine Erkenntnis von außen in den Menschen einfließen kann, daher kann auch die höhere Erkenntnis nicht von außen kommen, sondern nur im Inneren erweckt werden. Nicht in der äußeren Offenbarung liegt die Religiosität, sondern in der geistigen Erweckung.

Dürer hat in seinem Werk kein Blatt so einprägsam und emblematisch gestaltet wie die Apokalyptischen Reiter. Die Maßbestimmung erfolgte im Rahmen der geometrischen Tradition. In diesem Blatt liegt eine Aussage verborgen, die zugleich auf die Konzeption der gesamten Darstellung verweist. Es enthüllt sich als bedeutungsvolles Geheimnis, das auf zweierlei Weise wirkt. Einerseits wird es von einem Eingeweihten nach kurzer Betrachtung verstanden; anderseits kann mit einem unbewußten Eindruck eine suggestive Wirkung erzielt werden. Den Mittelpunkt des Blattes bildet der Reiter mit der Waage, auf ihn konzentriert sich die Aussage von Johannes über die Worte Jesu Christi: " Da du lau bist und weder heiß noch kalt, so will ich dich aus meinem Munde ausspeien." (Offb.Joh.3/lO

 

 

Dürer gibt dem Reiter mit der Waage eine besondere Bedeutung, nicht den lauen, unschlüssigen Menschen stellte er dar, sondern einen Gottsucher, der mit den beiden Reitern neben ihm, Schritt halten möchte. Um dieses Ziel zu erreichen, hält er das Pferd fest im Zügel, den Blick geradeaus, auf die vor ihm liegende Aufgabe gerichtet, die ihm der Engel über ihm hinweist. Das Bild zeigt, daß er keine Wankelmütigkeit kennt, er läßt die Waage, als Zeichen der Unentschlossenheit, hinter sich.