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Albrecht Dürer - Selbstbildnis 1498Selbstbildnis 1498 Selbstbildnis 1498 (Madrid Prado)

Das Bild zeigt Dürer als Eingeweihten, erkennbar an der griechischen Mütze (phrygische Mütze). Die Farben schwarz-weiß sind ein Zeichen der Ausgeglichenheit, der inneren Harmonie. Die Rosenkreuzerkordel hält das äußere Kleid zusammen. In der abgewinkelten rechten Hand zeigt sich das "rechte Maß". Durch die verbundenen Hände kommt sein Selbstbewußtsein zum Ausdruck. Im offenen Fenster zeigt sich die Weite der Natur, ihre Raumtiefe bildet die Grundlage der perspektivischen Konstruktion.


Albrecht Dürer (1471-1528) hat für uns eine doppelte Bedeutung, er verkörpert das Bild des größten deutschen Künstlers und das Wesen des geistigen Mahners und Propheten.

Dürers künstlerischem Schaffen liegt eine Glaubenssehnsucht, die ihn weit über den volkstümlichen Rahmen hinaus als einen geistigen Seher und Erzieher erscheinen läßt.

Das Zeitalter der Spätgotik in ihren verschiedenen Ausdrucksformen war eine Kunst des Gottsuchertums, weil sie dem Bedürfnis des leidenden Menschen entsprach. In Dürers Bildern fließen das religiöse Gefühl und sein künstlerischer Bildungstrieb ineinander.

Wie kaum eine andere Epoche vor oder nachher waren die Jahre 1450-1500 ein Zeitabschnitt der Gegensätze, Umwälzungen und Neuerungen. Die Kunst am Ende des Mittelalters ist gekennzeichnet durch die Entdeckung des Individuums, dies führte zur Auflösung erstarrter scholastischer Denkweisen und zur Hinwendung an den lebensnäheren Humanismus. Das Überhandnehmen kaum mehr erträglicher Mißstände in der römischen Kirche führte zum Aufflackern neuer Glaubensformen. Die Schwächung der kaiserlichen Zentralgewalt und der Machtzuwachs bei den frühabsolutistischen Landesfürsten sowie der Niedergang des Ritterstandes und das Aufkommen des merkantilen Bürgertums sind einige Begriffe, die den Übergang vom Alten zum Neuen kennzeichnen.

In dieser spannungsgeladenen Zeit entstanden Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten, überall zeigte sich der schöpferische Wagemut, ob in der Kunst, beim Handwerk, in der Wissenschaft oder in der Religion.

Dürer drückt in seinen Bildern aus was er sich denkt, er kennt keine Vorurteile, seine Bilder sind Fenster durch die man ins Leben hineinschaut; auf diese Weise lehrte er seinesgleichen Freimut.


Seine graphischen Arbeiten waren ein bedeutsamer Beitrag für die Entwicklung der deutschen Reformationskunst. In den vielen volkstümlichen Holzschnitten religiöser Art spiegeln sich Bekenntnisse seiner Natur wider. In der künstlerischen Aussage stehen die graphischen Arbeiten den Ölgemälden ebenbürtig zur Seite, sie entstanden aus einer unmittelbaren seelischen Empfindung, die der religiöse Notstand seines Volkes hervorrief. In manchen Bildern zeigt sich ein Reflex der zeitbedingten immanenten Widersprüche zwischen tiefster Armut und höchstem Prunk, der Ausbeutung und des Reichtums.

Der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft und die Übertragung des Römischen Rechts auf die bäuerlichen Verhältnisse wurden zu Quellen der Bedrückung. Die herrschende Ungerechtigkeit empörte die Bauern, sie erschien ihnen unvereinbar mit der göttlichen Gerechtigkeit, denn sie führte zur Verelendung und schließlich zu den tragischen Bauernkriegen.

Dürers Persönlichkeit ist gekennzeichnet von einer ständigen Gewissenserforschung, seine religiösen Grundgefühle zwischen Demut und einem Selbstvervollkommnungsstreben, das
genährt wird aus dem Gegensatz zwischen Schwäche der eigenen Kräfte und der Größe der göttlichen Gebote. Für ihn war die Werkstatt von ebensolcher Bedeutung wie die Zelle für den Mönch, sie war Gefängnis und feste Burg zugleich. Solange er schuf, hatte er seine Arbeiten als Berufung im Dienste Gottes empfunden.

Durch den persönlichen Formsinn, den Dürer seinen Bildern gab, stand er in Auseinandersetzung mit der deutschen Tradition. Die fließende Linienführung vermittelte einen Ausdruck, der Gegenständliches in der Bewegung hervorbringt, während die Bewegung ins Gegenständliche eingeht. In der Begegnung mit der antiken Kunst, die er in Italien kennenlernte, zeigt sich die Größe und Komplexität seiner Leistung. Das Vielseitige und oft Geheimnisvolle in seinen Bildern erregte schon zu seinen Lebzeiten beträchtliches Aufsehen. Er war der erste Künstler der die Grenzen des Handwerklichen überschritt und die geistigen Strömungen der Zeit in seine künstlerische Arbeit integrierte. Es gibt keinen anderen Künstler, der so sehr im Objekt aufging, sich für so Vieles und Verschiedenartiges interessierte und alles in seinem Schaffen Platz finden ließ. Religiöses und Profanes, Phantastisches und Reales, Festliches und Alltägliches auf Holz und Papier, auf Leinwand, Metall und sogar auf Glas. Schlösser und Burgen, Städte und Dörfer, Höfe und Hütten, Pflanzen und Tiere hat er gemalt, geschnitten, geätzt und gezeichnet.


Und immer wieder Menschen: Deutsche, Niederländer, Italiener, Franzosen, Türken, Livländer, Mohren und andere; Angehörige aller Stände und Berufe: Papst, Kardinal, Kaiser, Offiziere, Soldaten, Ritter, Bürger und Bauern. Sie alle wurden von Dürer im Bilde festgehalten, durch ihn kennen wir ihre Gesichter, Kleidung und Lebensweise. Es sind großartige Bilddokumente über alle jene, die in seiner Zeit lebten, sie formten und von ihr geformt wurden. Mehr als tausend Zeichnungen, zahlreiche Holzschnitte und Radierungen sowie über hundert Kupferstiche waren begehrte Kaufobjekte. Seine ausdrucksvollen Holzschnitte, die durch ihre billige Druckherstellung zu einem günstigen Preis vertrieben werden konnten, gingen wie "fliegende Blätter" in die Welt hinaus.

Wir sollten Dürer auch als einen Vorläufer und Wegbereiter der Reformation sehen, denn er schuf den Menschentypus der Reformationszeit. In vielen seiner Bilder befinden sich Aussagen, die einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Verbreitung fanden. Der italienische Humanismus und die nordische Reformation hängen ursächlich zusammen, stehen aber in einem entscheidenden Gegensatz zueinander. Beide entstanden aus dem Wunsch nach Emanzipation, der die Persönlichkeit des einzelnen Menschen ebenso wie die "Persönlichkeit des einzelnen Volkes" zu befreien und zu aktivieren suchte. Beide Bewegungen strebten danach, den Menschen von den beschränkenden Bindungen der
Tradition und den beherrschenden Mächten unabhängig zu machen und es ihm zu ermöglichen, in Selbstbestimmung einen individuellen Zugang zu Gott und der Welt zu finden. Der italienische Humanismus fand sein Ende in der Klassik, die nordische Renaissance in der christlichen Reformation.

Das Wesentliche dieser Epoche beschreibt Jacob Burckhardt in seinem Buch "Die Kultur der Renaissance in Italien" mit folgenden Worten: "Zu der Entdeckung der Welt fügt die Kultur der Renaissance eine noch größere Leistung, indem sie zuerst den ganzen, vollen Gehalt des Menschen entdeckt und zutage fördert".


"Erkenne Dich Selbst" stand auf dem Apollotempel in Delphi. Dieser Gedanke wurde zum Hauptanliegen der Renaissance-Bewegung. Diese antike Wiedergeburt war ein europäischer Geisteszustand, der sich - um sich durchzusetzen - unmeßbarer feiner Methoden bediente. Der Erfolg wurde gegeben, weil eine Erwartung im Menschen vorhanden und die Zeit dafür reif war. Dürer faßte die Kunst als Mittel der Erkenntnis auf und zugleich als Mittel zum Lob Gottes. Die Einheit von Erkennntnis und Glaube wird offensichlich bei seiner Lösung des Schönheitsproblems. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Kunstauffassung bestand für Dürer die Schönheit nicht mehr im Hindurchscheinen des Göttlichen durch die äußere Gestalt, sondern sie bezog sich auf die realen Proportionen der Naturobjekte, denn er unterschied zwischen der absoluten und der realen Schönheit, da diese zuerst der menschlichen Erkenntnis zugänglich sei. Die Verwandlung der geistig-sittlichen Welt war eine Grundforderung der Antike, getragen von der Idee der Individualität, der unteilbaren Einheit in Person und Ding, deren Werte diese nicht überschreitet, wie dies alle idealisierenden Stile vermögen.


Das Wesentliche in der Kunst Dürers ist die ganz neue Art der Anteilnahme an den Gegenständen der Welt, er sieht sie nicht mehr als Symbole ewiger Mythen, sondern als die Entfaltung des Persönlichen, das ja nur einmal existiert und in seiner Einmaligkeit ein unwiederholbares Schicksal durchsteht und durchleidet. Dabei geht er nicht einer Abstraktion der Naturform nach, sondern einem individuellen Naturalismus-, indem er in der freien Bewegung das malerisch Unerschöpfliche und Unbegrenzte sucht. Das zeigt sich beispielsweise in der Zeichnung eines wurzelgeflochtenen Becherfußes, der seinen Gegensatz in der Kelchform findet. Sein Hang zum Ornament oder Verschlungenen wird manchmal als eine Art des spätgotischen Stils bezeichnet. Bei dieser Kunstform handelt es sich im Grund um eine uralte Eigentümlichkeit des germanischen Formgefühls. Der Grundbegriff der natürlichen Vollkommenheit des Geschöpfes war eine Zeitangelegenheit, in der auch die Kenntnis der menschlichen Proportionen eine Notwendigkeit war. Das Interesse an der eigenen Persönlichkeit spricht daher aus allen Selbstbildnissen Dürers, obwohl zu seiner Zeit das Selbstporträt noch nicht in Mode war, versuchte er in sich das Bild des idealen Menschen darzustellen. Besonders zum Ausdruck kommt dies im Selbstbildnis vom Jahre 1500 in einer Art "Ecce Homo" (siehe Bildbeilage).


Selbstbildnis 1500 (München Ältere Pinakothek)

Eine symbolische Anspielung auf seine Erkenntnis, daß der Genius des Künstlers von Gott kommt. Das ist die fast mystische Grenze einer Sublimierung der Künstlerpersönlichkeit wie sie Dürer anstrebte. Die Arbeiten auf diesem Gebiet sind beispielhaft für seine Selbstbeobachtung, sie wirken nicht herausfordernd, sondern zeugen von einem gereiften Selbstbewußtsein.
Daß er die eigene Person für selbstdarstellungswürdig befand beweist, daß er sich eingehend über die Grundlagen der Proportionslehre im klaren war und er seine Erkenntnisse anderen Menschen mitteilen wollte.

Der Künstler ist nach Dürers Meinung berufen, nicht nur das Gegenständliche im Bild festzuhalten, sondern darüber hinaus das zu gestalten, was nicht zur Wirklichkeit gehört - die reinen Gedanken Gottes. Mit Hilfe der bildlichen Darstellung wurde an der Schwelle der Reformation den Menschen mehr geistige Nahrung zugeführt als durch das gedruckte Wort. Das Bild ist ein Gegenstand der Betrachtung und dadurch, daß wir es ansehen, das heißt schauend empfangen, erhält es sein wirkliches Dasein und auch seinen Wert. Somit ist die darstellende Kunst ein wesentlicher Erziehungsfaktor in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.

Als Dürer die Apokalypse für den Holzschnitt zu zeichnen begann, war er 25 Jahre alt. Er war gerade von seinen Reisen nach Westdeutschland und Italien zurückgekehrt, die auf den jungen Künstler tief eingewirkt haben und für die Richtung in seiner Kunst von besonderer Bedeutung waren. Dennoch ist das erste Große Werk, das er nach den Wanderjahren schuf, von fremden Einflüssen weit entfernt. Die 15 Folioblätter, in denen er die "Offenbarung Johannes" darstellte, sind von einer Originalität, der gegenüber alles in der Fremde Erlernte in den Hintergrund trat. Diese Zeichnungen vermitteln eine Stimmung von hoher Art, daß sie wie ein Sturmwind die Gemüter ergriffen. Durch den Holzschnitt als neues Ausdrucksmittel, konnte er zu den Menschen eindringlich reden, wie es vor ihm noch kein Künstler getan hatte.
Seine Illustrationsprinzipien machten mit einem Schlag nicht nur ihn zu einer führenden Persönlichkeit unter den deutschen Künstlern seiner Zeit, sondern erhob auch die deutsche Kunst, im Rahmen ihrer Bestrebungen innerhalb der europäischen Völker, zu einer neuen Bedeutung. Dürers Apokalypse ist überströmt von einer leidenschaftlichen, maßlosen Phantastik wie kein zweites Werk der Weltliteratur. Symbole und Visionen, alles in einer wilderregten, hinreißenden Sprache, die das Gefühl einer nahenden Weltveränderung erzeugt.


Die "Offenbarung Johannes" hatte auf die Kunst verhältnismäßig weniger eingewirkt als andere Teile des Neuen Testaments. Nur in Zeiten religiöser Erschütterungen und
weltlicher Spannungen hat man sich für die Apokalypse lebhafter interessiert. So glaubte man gegen Ende des ersten Jahrtausends an das Nahen des Weltgerichts und auch im 12. und 13. Jahrhundert, als die große Bewegung der mystischen Sekten und Häresien entstand sowie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, im Zusammenhang mit der Renaissance, aus der sich die deutsche Reformation entwickelte. Wenn auch einzelne apokalyptische Themen immer wieder die darstellende Kunst beeinflußten, so hat sie doch nur ein ganz großes Kunstwerk in Form von Dürers Holzschnitten hervorgebracht. Durch die Umstände der Zeit und der Besonderheit seiner Kunst, hat er diesen zur ausführlichen Illustration kaum geeigneten Text in Bilder verwandelt, die künstlerisch unverhältnismäßig wirkungsvoller waren als ihr literarischer Ausgangspunkt. Bei den meisten älteren apokalyptischen Darstellungen findet eine Vermischung von Bild und Text statt, erst Dürer hat das Bild vom begleitenden Text getrennt. Bei ihm steht das Bild ohne störende Textbegleitung als gewaltige Erscheinung, als Vision unmittelbar vor dem Auge des Beschauers.
Wie kam es, daß gerade dieser rein religiöse Stoff, das Buch von den "Geheimen Offenbarungen des Johannes", eine so große Anziehungskraft auf den jungen Dürer ausübte?

Es war eine merkwürdige, tiefwurzelnde Erregung, die am Ausgang dieses mit sich selbst im Zwiespalt liegenden Zeitalters in den deutschen Gemütern platzgriff. Auf der einen Seite der trostlose sittlich-religiöse Zustand des Volkes, hervorgerufen durch die tief gesunkene Achtung vor jeglicher, auch der kirchlichen Autorität, verbunden mit einer das Volksleben weithin vergiftenden Laszivität und sittlichen Ungebundenheit - selbst beim Klerus. Auf der anderen Seite jenes durch schwärmerische mystische Emanationen gesteigerte Sehnen nach Besserung, das sich in düsteren Prophetien über ein göttliches Strafgericht Luft machte. Überall in den überhitzten Gemütern war ein ängstliches Aufhorchen und Forschen nach Wundern und Zeichen. Der Glaube, das Ende der Welt oder das Weltgericht stünde nahe bevor, beherrschte vielfach die Menschen. Es was daher kein Wunder, daß man sich in einer so unruhigen Zeit mit besonderer Vorliebe der geheimnisvollen "Offenbarung des Johannes" zuwandte, die jene furchbaren Schrecknisse schilderte, die der Menschheit bevorstehen.


Die in der Bibel aufgezeichneten Visionen müssen die erregten Gemüter im Eindruck bestärkt haben, als sei die Apokalypse gerade für die damalige Zeit geschrieben worden. Das ungeübte Vorstellungsbedürfnis des Volkes verlangte nach Bildern, die das schwerverständliche der Prophetenworte veranschaulichte.

Als Dürer begann, die schreckensvollen Szenen der Apokalypse zu komponieren, mußte er sich im klaren sein, welch gewaltiger Akzent gerade auf die Darstellung dieser Dinge zu legen war, um auf den im Banne der Naturerscheinungen stehenden Geist des Beschauers die beabsichtigte Wirkung ausüben zu können. Die Aufgabe war für ihn umso schwieriger, da es sich bei der Apokalypse um Vorgänge handelt, die in ihrer Aussage nicht ohne weiteres darstellbar sind. Es sind Bilder, die sich in der Welt der Gedanken, nicht aber in der sinnlichen Vorstellung bewegen. Daß Dürer diese komplizierte Aufgabe gelungen ist, beruht zuallererst auf dem künstlerischen Prinzip, das den Bildern zugrunde liegt.

Aus dem poetischen Reichtum der Sendschreiben an die sieben asiatischen Gemeinden wählte er Momente, die bildlich darstellbar waren und in der Naturanschauung irgendwie verankert werden konnten - man könnte von einer Auflösung der gedanklichen Phantasie in bildliche Ausdrucksmittel sprechen. Für ihn sind die sieben Schreiben alles andere als Briefe, er betrachtet sie als Teile eines Buches und für sie gilt daher:

"Selig, wer liest und die da hören auf die Worte der Weissagung".

Wenn auch die Sendschreiben an die sieben Gemeinden gerichtet waren, so ist darunter die Gesamtheit der Gläubigen gemeint, denn unter einer Siebenheit ist eine geschlossene Einheit zu verstehen. Die Briefe sagen der gesamten Christenheit "was ist" und in der Folge "was geschehen wird". Einheit und Vielfalt der Briefe sind eine notwendige Folge der Einordnung in den Plan und Aufbau der Apokalypse. Ihre Grundlagen bilden die sieben Plagen, die sieben Posaunen und die Schalenvisionen, sie sprechen zum Menschen, der aus sieben Elementen oder Prinzipien geformt ist. Der Inhalt der Schreiben ist nichts anderes als der Ausdruck eines Einweihungsvorganges, das der Sprecher mit einer unbezweifelbaren Autorität kündet, denn es ist der Geist Christi - der zu den "Gemeinden" spricht.

Dürer wählt aus der ersten Vision der sieben Leuchter die Gestalt des Jemand, der einem Menschensohn ähnelt, dessen Haupt wie weiße Wolle ist, dessen Angesicht wie Sonne strahlt, dessen Augen Feuerflammen gleichen, der in seiner Rechten sieben Sterne hält und aus dessen Mund ein scharfes, zweischneidiges Schwert ausgeht.

 


 

Er zeichnet Johannes selbst inmitten großer Leuchter. Diese abstrakten Elemente verbindet er zu Kompositionen, die man als bildliche Visionen und Phantasien bezeichnen könnte, die mehr auf freier Vorstellung des Beschauers und dessen Einbildungskraft beruhen als auf Naturanschauung. Der ins Sinnliche übertragene Inhalt der Apokalypse wird in Bildern veranschaulicht, die nicht in realen Situationen und Zusammenhängen, sondern in inneren Vorstellungen verankert sind. Er sieht die Szene in den Lüften, auf besonderen Wolken stehen die Leuchter, ruht der Regenbogen mit der Gestalt des Ersten und Letzten, vor dem Johannes selbst kniet. Es ist also nicht die Vision des Sehers, sondern die Vision des Künstlers!


Es ist etwas noch nie Dagewesenes, unerhört Kühnes und Realistisches, wie diese mächtigen weißen Wolkengefüge emporstreben, um sich oben in der Mitte zu begegnen. Das schiebt und drängt sich, wirbelt empor wie Dampf, ein gewaltiges Schauspiel, das man mit eigenen Augen zu erleben glaubt, der Natur bis in die feinsten Einzelheiten hinein abgelauscht. Als Ganzes genommen, wirken diese Wolkenkulissen wie ein machtvolles Bild für den übersinnlichen Vorgang der Erscheinung. Dürers künstlerische Kraft vermochte innere Gedanken in die Wirklichkeit umzusetzen. Sieht man das Bild genauer an, verfolgt man Linie um Linie, so staunt man, mit welch einfachen Mitteln er diesen unerhörten Effekt erzielt hat.

In der einzigartigen Vielseitigkeit der Holzschnittblätter spiegelt sich die Bewegung der Zeit in der Dürer lebte. Er verwischt nicht ihren irrealen Charakter, sondern hebt ihn heraus. Die gekrausten Linien, die nicht der Einwirkung der Schwere unterliegen, die hellen Wolken, die sich vom dunklen Hintergrund körperlos abheben und alles entlasten, was sie tragen, die Unbestimmtheit des Raumes" all dies versetzt uns in eine Welt, die nur im Geiste existiert, in der andere Gesetze walten als in der sinnlich wahrnehmbaren. Dürers Blätter werden im Verlauf seines Schaffens in ihrer kraftvollen Komposition und Ausführung immer mehr zu kalligraphischen Niederschriften ewig gültiger Wahrheiten.

Nicht in der Welt des natürlichen. sondern des übernatürlichen Seins herrscht die Wahrheit: diese mittelalterliche Weltanschauung war für Dürer ein Vermächtnis, das sich als lebender Faktor in der deutschen Kunst länger erhalten hat als anderswo. Dennoch wäre es falsch, den Stil der Apokalypse als ein letztes Aufflammen des mittelalterlichen Geistes erklären zu wollen. Ganz im Gegenteil, die Apokalypse ist das erste große deutsche Kunstwerk der Neuzeit, in dem der Geist zum Geiste spricht, ein Einzigartiges, das nicht mit den Maßstäben jener Zeit gemessen werden kann.

Betrachten wir nun das zweite Blatt der Apokalypse, in der Johannes die Weisung vom Himmel erhält. Im unteren Teil des Bildes sehen wir eine stille, liebliche Landschaft, die uns die Schönheit und die Weite der Erde vor Augen führt. In der Mitte des Bildes befindet sich ein Wasserschloß mit einem mächtigen Tor. Das Landschaftsbild verkörpert eine tiefe Symbolik, es zeigt uns einen geschützten heiligen Ort, der nur durch geistiges Streben erreicht werden kann. Sinnbildlich bedeutet es eine Gegenüberstellung des menschlichen zum göttlichen Prinzip in Christus.


In der Tradition des Origenes ist Christus nicht so sehr der Logos, als vielmehr der Messias, der Gottmensch. Darum wird er nicht als Spender des Wassers der Lehre und Gnosis gesehen, sondern als der in seiner echten Menschennatur Verherrlichte, der den Geist ausgießt, das Wasser als den Inbegriff aller messianischen Güter. Der heilige Geist ist das lebendige Wasser, das über die ganze Erde strömt. In dieser ruhigen, stimmungsvollen Landschaft öffnen sich in ihrer ganzen Breite die gewaltigen Pforten des Himmels, Flammen schlagen heraus und bilden eine Mandorla um eine Darstellung, in der alles im schärfsten Gegensatz zur Wirklichkeit der stillen Landschaft steht.

Die Konzeption dieser grandiosen Symphonie traumhafter Erscheinungen ist so suggestiv, daß man den himmlischen Vorgang mitzuerleben glaubt. Mit diesem Traumbild ist auch der Seher verbunden, er ist in den Himmel erhoben, um von Gott seinen Auftrag zu empfangen.

Die Konzeption dieser grandiosen Symphonie traumhafter Erscheinungen ist so suggestiv, daß man den himmlischen Vorgang mitzuerleben glaubt. Mit diesem Traumbild ist auch der Seher verbunden, er ist in den Himmel erhoben, um von Gott seinen Auftrag zu empfangen.

Klar verständlich ergibt sich die Entstehung des Bildes. Der Künstler sieht die Schönheit der Welt, deren Schicksal nun entschieden wird, er sieht die Harmonie in der Natur, so wie er sie oft auf seinen Wanderungen, mit dem Zeichenstift festgehalten hat. Er sieht die 24 Ältesten, die Träger der 12 Grundstrahlungen, es sind Wesenheiten von höchster geistiger Potenz. Dann denkt er an die Gewalten, von denen das künftige Schicksal abhängt. Vorstellungen von überweltlichen Mächten kommen ihm zum Bewußtsein, die für viele nur in der Phantasie leben und doch das WIRKLICHE sind.

Geistiges Bewußtsein und sinnliche Erfahrung vereinen sich zu einer traumhaften Einheit, in welcher der Künstler selbst der Dichter und Seher ist. Dürer stellt seine innere Vision als bildliche Offenbarung den verbalen kirchlichen Andachten entgegen, indem er nach seinem persönlichen Ermessen Wirkliches mit Unwirklichem verbindet, den Grad der Realität der einzelnen bildlichen Elemente bestimmt. Dieser Subjektivismus geht über alles mittelalterliche Denken hinaus, wodurch die theologische Welterklärung der persönlichen geistigen Stellungnahme zur Umwelt bestimmte Schranken gezogen waren. Die Rolle der Kunst im geistigen Leben war in Deutschland eine grundsätzlich andere als im Westen oder in Italien. Über die esoterische Bedeutung hinaus, hatten sie dem allgemeinen Bedürfnis nach seelischer Erhebung, dem religiösen und profanen Bildungshunger zu dienen.

Diese allgemeine geistige Aufgabe bewirkte, daß der künstlerische Fortschritt weniger intensiv an den großen Altarwerken oder den Problemen von Form und Farbe zum Ausdruck kam, als vielmehr in Kunstrichtungen, die aus dem Erbauungs- und Bildungsbedürfnis der Menschen entstanden, wie z.B. im Holzschnitt, Kupferstich und den illustrierten Büchern. Durch diese Entwicklung vollzog sich in der Kunst eine Vermenschlichung, die in der persönlichen Genialität des Künstlers zum Ausdruck kam. Nachdem Dürer in der Apokalypse den richtigen Ton und die geeignete Form gefunden hatte, entrollten sich die Bilder in einer steigenden Dramatik, wie wir solches in der zeitgenössischen Kunst vergeblich finden. Das apokalyptische Geschehen zieht an unseren Augen vorbei, so wie es der Künstler innerlich sah, die Trennung der Menschen wie die Spreu vom Weizen, und der Kampf des Himmels und der Hölle.


Man könnte die Johannes Apokalypse als Tendenzschrift bezeichnen, wenn sich nicht die Grundtendenz genau mit dem berührte, was den jungen Dürer und auch viele seiner
Zeitgenossen in religiösen Fragen bedrückt. Es ist Dürers Verdienst, den Zusammenhang zwischen dem Text der Johannes-Offenbarung und seinen Illustrationen gefunden zu haben. So gesehen, ist seine Apokalypse nicht nur eine Illustration, sondern nicht minder eine selbständige Dichtung in Bildern, in der er seine persönliche Auffassung der wichtigsten geistigen Probleme der Zeit künstlerisch ausgedrückt hat, so daß man in dieser Verbindung von Wahrheit und Dichtung eine Art Selbstbiographie sehen könnte.

Was Dürer am meisten bewegte, waren die religiösen Zustände in seiner Heimat. Daher richtete sich seine Anklage vor allem gegen das kirchliche Rom. Noch im Jahre 1521, als er während seiner niederländischen Reise eine falsche Nachricht von Luthers Tod erhielt, schrieb er unter ausdrücklicher Berufung auf die Apokalypse in sein Tagebuch flammende Worte gegen die Kurie, die das wahre Christentum mordet und ihm das Blut aussaugt und die Quelle des unchristlichen Lebens ist. Durch dieses päpstliche Rom entstand in Dürer die Vorstellung von der babylonischen Buhlerin.

Aus den Gemälden der italienischen und niederländischen Künstler, die zur Zeit Dürers lebten, kann man keinen Schluß auf ihr Geistesleben ziehen. Die meisten Bilder und Zeichnungen wurden außerhalb ihres subjektiven Seelenlebens geschaffen, wogegen wir bei Dürer im ganzen Verlauf seines Lebens in Zeichnungen und graphischen Werken eine Fülle von Gesichtspunkten ein ununterbrochenes sich Auseinandersetzen mit sich selbst und mit der Umwelt beobachten können. In den Bildern der Apokalypse tritt uns dieser Zug ebenso stark entgegen wie in anderen seiner Bildnisse. Es ist sein persönliches geistiges Bekenntnis, nicht nur über Probleme des künstlerischen Schaffens, sondern der schicksalsschweren Fragen, die damals alle tiefer veranlagten Menschen beschäftigte.

Dieses Bekenntnis entstand in den Jahren, in denen in Florenz Savonarola predigte und verbrannt wurde. In Italien handelte es sich nur um eine Bewegung zur Restitution der kirchlichen Ordnung, während in Deutschland die Allgemeinheit zu tieferer religiöser Bildung und Empfindung erzogen, über die wahren Ursachen des Verfalls des religiösen Lebens nachzudenken begann, und in den führenden Köpfen das Problem der geistigen Erneuerung des Christentums als die wichtigste Forderung der Zeit erkannt wurde.


So war es kein Wunder,daß aus dem Gefühl der Verpflichtung gegenüber dieser Hauptfrage des geistigen Lebens der Menschen Dürers erstes großes Werk entstand. Diese geistige Problematik erinnert an das Mittelalter, wogegen das Persönliche des Bekenntnisses vorwegnimmt, was einige Jahrzehnte später in Michelangelo die unpersönlichen künstlerischen Ideale der Renaissance zerbrochen hat und nach ihm die ganze europäische Kunst eroberte. So steht Dürers Apokalypse zwischen zwei Welten, eine schließt sie ab und eine leitet sie ein, verbindet, was vor der Renaissance war und nach ihr kommen sollte.

Die Apokalypse spielte in Dürers Leben eine bestimmende Rolle. Er schuf in der Folgezeit noch bedeutende Werke, doch nie mehr in der von jugendlicher stürmischer Begeisterung erfüllten Weise. Nirgends in Europa können wir in der zeitgenössischen Kunst einen ähnlichen jugendlichen Sturm und Drang beobachten. Beil allen uns bekannten Künstlern läßt sich ein allmählicher Aufstieg feststellen, nicht am Anfang ihres Schaffens entstanden die bedeutendsten Werke, sondern gegen Ende der künstlerischen Laufbahn. Das ist sicher kein Zufall und ebensowenig kann es Zufall sein, daß gerade in der deutschen Kunst eine jugendliche Fortschrittsbegeisterung anzutreffen ist.

Es ist bemerkenswert, daß die treibende Kraft des vierten Strahles das deutsche künstlerische Geistesleben der Vergangenheit sich im Religiösen zeigte, alle großen schöpferischen Geister dieses Volkes hat tiefe Religiosität gekennzeichnet. Die Quelle dieser Erscheinung liegt im Verhältnis zwischen Kunst und den Problemen des Daseins. Der künstlerische Mensch betrachtete die Welt aus der Perspektive seines Innenlebens und benützte die Kunst als Mittel, sich mit sich selbst, und mit dem, was die Allgemeinheit bewegte, auseinanderzusetzen.

Dürers ganzes Leben war ein Ringen um Bereicherung seiner geistigen Persönlichkeit. Diesem Streben versuchte er alles dienstbar zu machen, was ihm die Zeit an Anregungen und Erlebnissen bot. So entstand der Künstlertypus eines neuen Bildungsidealismus und Universalismus, nicht wie bei den Arbeiten Leonardos in naturwissenschaftlicher Empirie, sondern wie dreihundert Jahre später bei Goethe, in einer umfassenden Anteilnahme an allem, was die Menschen geistig bewegte.